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Die Vorderseite des Papyrus Berlin 3038
Auf der Vorderseite des Papyrus befindet sich - ähnlich dem Papyrus Ebers oder Papyrus Hearst - eine Zusammenstellung zahlreicher Rezepte und einiger Lehrtexte, die aus verschiedensten Bereichen der Medizin entstammen und keine Ordnung erkennen lassen. Es handelt sich also nicht - wie z.B. beim Papyrus Smith oder Papyrus Kahun - um ein “Fachbuch”, sondern um eine “Sammelhandschrift”.
Da uns derartige Sammelhandschriften vornehmlich aus dem Neuen Reich bekannt sind, scheint diese Zeit laut Wreszinski “eine Periode des Sammelns und Systematisierens gewesen zu sein”. Diese Kompilationen entstanden aus Einzeltexten, die zunächst von einem Schreiber sortiert und anschließend auf einer großen Papyrusrolle zusammengefaßt wurden. Später scheint eine weitere Verfielfältigung durch Abschrift oder Diktat erfolgt zu sein. Die uns in Form des Papyrus Berlin 3038 vorliegende, wohl recht spät entstandene Kopie wird allem Anschein nach per “Diktat in einer Schreiberwerkstatt gemacht worden sein, und zwar von berufsmäßigen Schreibern, denen der Inhalt fremd und unverständlich bliebt”. Nur so lassen sich die zahlreichen orthographischen und fachlichen Mängel und Mißverständnisse erklären, die einem Arzt oder medizinisch vorgebildeten Schreiber in der Art wohl kaum unterlaufen wären.
Es erscheint mir fast unmöglich, die Kritik, die Wreszinski an dem antiken Schreiber übte, durch geeignete Wortwahl noch besser darzustellen, so daß es mir gestattet sei, seine Worte hier wiederzugeben:
“Schon der erste Schüler, der das Original kopierte, verfehlte nicht, einige orthographische Eigentümlichkeiten oder direkte Fehler in den Text hineinzubringen. Und die Vereinigung von geistlosem Konservatismus und Liederlichkeit, die jeden ägyptischen Schreiber auszeichnet, bewirkte, daß diese Fehler immer weiter mitgeschleppt wurden, daß immer neue hinzukamen und jede Kopie auf diese Weise dem Original unähnlicher wurde. Als nun gar die verständnislose Vervielfältigung des Werkes nach Diktat begann, kamen zu den orthographischen Fehlern noch die sachlichen Mißverständnisse.” -
“Aus der Tatsache, daß ein medizinischer Laie den Papyrus geschrieben hat, erklärt sich auch seine Orthographie, die ihn so übel berüchtigt gemacht hat. Die hieratische Schrift ist an sich schon wenig dazu geeignet, die Ausbildung einer festen Orthographie zu fördern, und je weiter sich die Sprache veränderte, desto mehr geriet die Schrift, - wie es ja bei allen Völkern der Fall ist, - in den Zwiespalt zwischen der Konservierung der historischen Orthographie und der Anpassung an die Laute der lebenden Sprache.” -
“Dem korrektesten Schreiber konnte es daher höchstens gelingen, sich eine eigene feste Orthographie anzugewöhnen; eine allgemein gültige, die er hätte erlernen können, gab es nicht.” Unserem Schreiber gelang es dagegen sogar, während der Abschrift sowohl für ein und dasselbe Wort verschiedene Schreibungen zu verwenden, als sich auch für andere Wörter eine konstant “falsche” Orthographie einzuprägen.
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