Allgemeines

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Der medizinische Papyrus, der auf den folgenden Seiten ausführlich dargestellt werden soll, verdankt seine heutige Bezeichnung seinem Aufbewahrungsort im Ägyptischen Museum und der Papyrussammlung zu Berlin. Er wird dort unter der Nummer 3038 geführt. Nach dem Erstbeschreiber Heinrich Brugsch war er zeitweise auch als “Papyrus Brugsch” bekannt.

Aufgefunden wurde die Schriftrolle von Joseph (Giuseppe) Passalacqua (1797-1865) vermutlich im Jahr 1826. In einer Tonvase 10 Fuß unter der Erde in der Nähe der Pyramiden von Sakkara entdeckte er mehrere “historische Rollen”, von denen er zwei in seinem “Catalogue raisonné et historique” (Paris 1826, S. 207) als Nummern 1558 und 1559 wie folgt aufführte: “Le grand  manuscrit hiératique 1558, rempli de noms royaux, est un des papyrus historiques les plus remarquables qu'on ait découverte en Egypte. Il était renfermé soigneusement dans un vase de terre cuite, avec le petit manuscrit 1559 de même hiératique, en portant une date et des cartouches. Ce vase fut découvert isolé dans les ruines, a une profondeur d'environ 10 pieds, près des pyramides de Sakarah à Memphis." Die kleine Handschrift Nr. 1559, die hier miterwähnt wird, ist der heutige Papyrus Berlin 3047, welcher ein Gerichtsprotokoll aus der Zeit Ramses’ II. beinhaltet.

1827 verkaufte Passalacqua den medizinischen Papyrus gemeinsam mit einer größeren Sammlung weiterer Schriften an König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Passalacqua selbst wurde 1828 der erste Kurator des Ägyptischen Museums Berlin, bis ihm nach seinem Tod 1865 Richard Lepsius folgte.

Nachdem Heinrich Brugsch (1827-1894) den Papyrus 1863 erstmals in seinem “Recueil de monuments égyptiens” kurz beschrieb und auch Lithographietafeln publizierte, gebührte Walter Wreszinski die Ehre der ersten umfassenden Edition mit Transliteration, Übersetzung, Kommentar und Lichtdruck-Abbildungen. Die bis heute gültige Numerierung der Rezeptfolge geht auf dieses Werk zurück.

Wer den Papyrus (oder zumindest einzelne Abschnitte) verfaßt hat, ist unklar. Ähnlich wie im Papyrus Ebers wird jedoch darauf verwiesen, daß die Textinhalte älteren Ursprungs seien. So wird im Rezept 163 auf der Kolumne 15 behauptet, daß die dort beginnende Sammelhandschrift der Schmerzstoffe “in den alten Schriften in einem Kasten für Schreibutensilien unter den Füßen einer Anubisstatue in Letopolis zur Zeit seiner Majestät, des Königs von Ober- und Unterägypten (Usaphais)|” gefunden worden sei und anschließend “zur Majestät, dem König von Ober- und Unterägypten (Senedj)|, gerechtfertigt, wegen seiner Vortrefflichkeit” gebracht worden sei.

Ein Streit unter Philologen, der bisher nicht entschieden ist und es mangels weiterer Quellen wohl auch nicht werden wird, betrifft den Titel eines “Schreibers der Gottesworte und Obersten der ausgezeichneten Ärzte”, dem noch die Wörter “nTr Htp.w” folgen. Wahrscheinlich handelt es sich hier um eine attributive Ergänzung “der den Gott besänftigt”, möglicherweise aber auch um einen Namen “Netjerhotep”.

Am Ende der Vorderseite findet sich der Vermerk des Schreibers, welcher auch seinen Namen nennt: “Es ist zu Ende gekommen, gut und zufrieden von [......]-Hr-wnmj=f.” Der teilweise zerstörte Name ist laut Wreszinski als pA-Ra-Hr-wnmj=f zu lesen.


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Die letzten drei Kolumnen (Nr. 19-21) der Vorderseite, Standort Berlin-Charlottenburg, April 2004

"Technische" Daten in Kurzfassung

Name: benannt nach dem Standort in Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung
Gefunden: in einem Topf in Sakkara von Giuseppe Passalacqua gemeinsam mit einem Gerichtsprotokoll aus der Zeit Ramses II. (pBerlin 3047), verkauft 1827 an Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
Datierung: Neues Reich, 19. Dynastie
(ca. 1250 v.Chr.)
Maße: 5,16 x 0,20 Meter (aus konservatorischen Gründen in mehrere Fragmente zertrennt)
Sprache: Ägyptisch
Schrift: Hieratisch, von rechts nach links; geschrieben in horizontalen Zeilen in schwarzer und roter Tinte
Erhaltung: Der Papyrus ist am Anfang unvollständig, es fehlt mindestens eine Kolumne. Die erhaltenen ersten 5 Kolumnen sind teils beschädigt. Die übrigen 16 der 21 Kolumnen der Vorderseite sowie die 3 Kolumnen der Rückseite sind hervorragend erhalten.

Beim Studium der Tafeln A+B (Kolumnen 1-4), Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin

Beschreibung

Die Länge des Papyrus Berlin 3038 beträgt heute 5,16 Meter. Er wurde aus 19 Papyrusblättern zusammengesetzt, deren Länge zwischen 27 und 29 cm beträgt, ein Blatt auch 31,5 cm. Die 18 Klebungen sind tadellos ausgeführt, so daß sie nur mit geübtem Auge aufzufinden sind. Wreszinski wertet dies als Werk eines “tüchtigen, geübten Arbeiters” und als Beweis gegen die Meinung, die Schreiber hätten ihre Papyrusrollen eigenhändig zusammengeklebt. Die Höhe des Papyrus beträgt 20 cm. Dies ist ein typisches Maß für das Schreibmaterial im Neuen Reich.

Auf der Vorderseite (Rekto) befinden sich 21 Kolumnen hieratischer Schrift, geschrieben mit schwarzer und roter Tinte in horizontalen Zeilen. Acht Kolumnen haben eine Zeilenzahl von 11 (Kolumnen 1, 2, 6, 13, 14, 17, 20 und 21), 13 Kolumnen eine von 12. Dadurch ergibt sich eine annähernd konstante Kolumnenhöhe, die Breite variiert jedoch zwischen 25 und 31 cm. Insgesamt finden sich auf der Vorderseite 244 Zeilen.
Die Rückseite (Verso) weist zunächst zwei Kolumnen mit 13 bzw. 12 Zeilen in einer anderen Handschrift auf. Es folgt abschließend - quasi als dritte Kolumne - ein einzelnes Rezept mit 12 kurzen Zeilen.

Die Datierung der Beschriftung der Papyrusvorderseite dürfte anhand paläographischer Kriterien zweifelsfrei in die 19. Dynastie erfolgen. Laut Wreszinski verrät die Schrift “durch die feinen, flüchtigen, aber meist gut lesbaren Zeichen einen geübten Schreiber.” Ligaturen sind selten, es handelt sich um eine Buchhandschrift. Die Schrift bildet ein fortlaufendes Ganzes; sie ist nicht in einzelne Abschnitte geteilt. Im Gegensatz dazu wird auf der Rückseite mit einem neuen Rezept meist auch eine neue Zeile begonnen. Die Schrift scheint aus der gleichen Zeit wie die der Vorderseite zu stammen.

 

 

Literatur

BARDINET, T.: Les Papyrus médicaux de l'Égypte Pharaonique; Paris 1997, S. 409-436 und 451-453.

BRUGSCH, H. in: Allgemeine Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur, 1853, 44ff.

BRUGSCH, H.: Notice raisonnée d'un traité médical datant du XIVme siècle avant notre ère et contenu dans un papyrus hiératique du Musee royal de Berlin; Recueil de monuments égyptiens, Band II, 1863, Text S. 101-120, Tafeln LXXXV - CVII (Erstpublikation)

Kolumne 3

CHABAS, F.: Sur l'antiquité de Dendera; ZÄS 3, 1865, 94

DAUMAS, F.: Note sur la plante matjet, BIFAO 56, 1957, 59

VON DEINES, H., GRAPOW, H., WESTENDORF, W.: Grundriß der Medizin der alten Ägypter IV, V, Berlin 1958

ERMAN, A., KREBS, F.: Aus den Papyrus der Königlichen Museen, 1899, 64-74

JEQUIER, G.: Materiaux pour servir a  l'établissement d'un dictionnaire d'archéologie égyptienne; BIFAO 19, 1922, 57

LE PAGE RENOUF, P.: Note on the medical papyrus of Berlin; ZÄS 11, 1873, 123 ff.

SAUNERON, S.: A propos d'un pronostic de naissance (pap. de Berlin 3038, vs II, 2-5); BIFAO 60, 1960, 29 f.

WESTENDORF, W.: Handbuch der altägyptischen Medizin (Handbuch der Orientalistik 36); Brill-Verlag, Leiden/Boston/Köln 1999, Band I, S. 41-45

WRESZINSKI, W.: Der große medizinische Papyrus des Berliner Museums in Facsimile und Umschrift mit Übersetzung, Kommentar und Glossar; Leipzig 1909

 Kolumne 3

 

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