Aufbau der Lehrtexte
Im Papyrus Smith finden sich standardisiert aufgebaute Lehrtexte, die dem Leser eine logische Herangehensweise an Diagnostik, Therapie und Prognosestellung einer Verletzung vermitteln sollen. Hierdurch wird einerseits das Erkennen des Schweregrads, von Begleitverletzungen und Komplikationen ermöglicht.
1. Titel bzw. Überschrift
2. Körperlicher Untersuchungsbefund
Eingeleitet durch:“Wenn Du einen Mann untersuchst mit ... ” Es folgen die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung (Inspektion, Palpation etc.) sowie von zusätzlichen Funktionstests (z.B. Aufforderungen, bestimmte Bewegungen auszuführen).
3. Formulierung der Diagnose
Eingeleitet durch: “Dann mußt Du sagen dazu: ... “ Es folgt die Diagnose, meist ergänzt durch die Wiederholung der wichtigsten Untersuchungsbefunde.
4. Prognose
Unmittelbar an die Diagnose schließt sich die Beurteilung der Prognose an. Hierzu stehen drei Verdikte (lat. vere dictum = “wahrhaft gesprochen” = Urteilsspruch) zur Verfügung:
a) “Eine Krankheit, die ich behandele.” Es wird also von einer Genesung ausgegangen. b) “Eine Krankheit, mit der ich kämpfen werde.” Die Prognose ist zweifelhaft. Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß der Patient sterben als überleben wird (s. Glosse C, Fall 4). c) “Eine Krankheit, die man nicht behandeln kann.” Eine infauste Prognose. Durch Verwendung der unpersönlichen Rede, legt der Arzt zugleich jegliche Verantwortung ab, denn niemand ist imstande, den Verletzten zu retten.
5. Therapie
Häufig eingeleitet durch: “Dann sollst Du machen für ihn: ... ” Es folgen die Handlungsanweisungen für die Behandlung der Verletzung, das Bereiten von Arzneien und in einem Fall sogar eine Beschwörung.
6. Verlaufsbeurteilung
Ggf. eingeleitet durch: “Wenn Du nun (aber) findest jenen Mann, indem ... ” Es folgen sowohl eine Beschreibung neu aufgetretener Symptome, eine neue Diagnose/Prognose und ggf. eine erneute Behandlung. In den meisten Fällen folgt jedoch ein negatives Verdikt, so daß keine Therapie mehr erfolgt.
7. Erläuterungen
Eingeleitet durch: “Was betrifft <Begriff>, das bedeutet ... “ Die im Anschluß an die Lehrtexte folgenden Glossen waren ursprünglich kein integraler Bestandteil der Anhandlung. Sie flossen erst später in den Textkanon ein, als es aufgrund des Alters des Ursprungstextes erforderlich war, eine Begrifflichkeit oder ein Symptom mit moderneren Worten zu erklären bzw. zu umschreiben.
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