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Wundenbuch

Das Wundenbuch               (engl.: The Surgical Treatise)
- Die Vorderseite des Papyrus Smith -

Wenn wir heute vom Papyrus Smith sprechen, meinen wir insbesondere die Abhandlung über die Wunden. Auf der Vorderseite des Papyrus sind 17 Kolumnen (von ehemals vermutlich 18) erhalten, in deren insgesamt 377 Zeilen sich 48 Fallbeschreibungen unterscheiden lassen. Die Abfolge beginnt entsprechend dem damaligen Ordnungssystem (a capite ad calcem) mit den Verletzungen des Kopfes; anschließend folgen Hals, Schlüsselbein, Oberarm etc. (s. Übersicht). Bei der Beschreibung der Wirbelsäulenverletzungen bricht die Abhandlung unerwartet mitten in Fall 48 ab. Warum der Schreiber dies tat und sich dann den Zaubersprüchen auf der Rückseite widmete, wird wohl unklar bleiben. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß eine komplette Aufzählung mit der Diskussion des Beckens und der unteren Gliedmaßen fortgesetzt worden wäre, um zuletzt bei den Füßen zu enden.

    Übersicht über die Verletzungen

      1. Kopf (Fall 1-27)

        a) Schädel (Fall 1-10)
        b) Nase (Fall 11-14)
        c) Oberkieferregion (Fall 15-17)
        d) Schläfenregion (Fall 18-22)
        e) Unterkieferregion (Fall 23-27)

      2. Hals und Nacken (Fall 28-33)
      3. Schlüsselbein (Fall 34+35)
      4. Oberarm (Fall 36-38)
      5. Brustkorb (Fall 39-46)
      6. Schultern (Fall 47)
      7. Wirbelsäule (Fall 48, unvollendet)

Aufbau der Lehrtexte

Im Papyrus Smith finden sich standardisiert aufgebaute Lehrtexte, die dem Leser eine logische Herangehensweise an Diagnostik, Therapie und Prognosestellung einer Verletzung vermitteln sollen. Hierdurch wird einerseits das Erkennen des Schweregrads, von Begleitverletzungen und Komplikationen ermöglicht.

1. Titel bzw. Überschrift

    Eingeleitet durch:Heilmittel für ... ”
    Es folgt ein Symptom oder bereits eine Diagnose.

2. Körperlicher Untersuchungsbefund

    Eingeleitet durch:“Wenn Du einen Mann untersuchst mit ... ”
    Es folgen die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung (Inspektion, Palpation etc.) sowie von zusätzlichen Funktionstests (z.B. Aufforderungen, bestimmte Bewegungen auszuführen).

3. Formulierung der Diagnose

    Eingeleitet durch: “Dann mußt Du sagen dazu: ... “
    Es folgt die Diagnose, meist ergänzt durch die Wiederholung der wichtigsten Untersuchungsbefunde.

4. Prognose

    Unmittelbar an die Diagnose schließt sich die Beurteilung der Prognose an. Hierzu stehen drei Verdikte (lat. vere dictum = “wahrhaft gesprochen” = Urteilsspruch) zur Verfügung:

      a) “Eine Krankheit, die ich behandele.”   Es wird also von einer Genesung ausgegangen.
      b) “Eine Krankheit, mit der ich kämpfen werde.”   Die Prognose ist zweifelhaft. Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß der Patient sterben als überleben wird (s. Glosse C, Fall 4).
      c) “Eine Krankheit, die man nicht behandeln kann.”   Eine infauste Prognose. Durch Verwendung der unpersönlichen Rede, legt der Arzt zugleich jegliche Verantwortung ab, denn niemand ist imstande, den Verletzten zu retten.

5. Therapie

    Häufig eingeleitet durch: “Dann sollst Du machen für ihn: ... ”
    Es folgen die Handlungsanweisungen für die Behandlung der Verletzung, das Bereiten von Arzneien und in einem Fall sogar eine Beschwörung.

6. Verlaufsbeurteilung

    Ggf. eingeleitet durch: “Wenn Du nun (aber) findest jenen Mann, indem ... ”
    Es folgen sowohl eine Beschreibung neu aufgetretener Symptome, eine neue Diagnose/Prognose und ggf. eine erneute Behandlung. In den meisten Fällen folgt jedoch ein negatives Verdikt, so daß keine Therapie mehr erfolgt.

7. Erläuterungen

    Eingeleitet durch: “Was betrifft <Begriff>, das bedeutet ... “
    Die im Anschluß an die Lehrtexte folgenden Glossen waren ursprünglich kein integraler Bestandteil der Anhandlung. Sie flossen erst später in den Textkanon ein, als es aufgrund des Alters des Ursprungstextes erforderlich war, eine Begrifflichkeit oder ein Symptom mit moderneren Worten zu erklären bzw. zu umschreiben.

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